Blauer Kohl.

Aus: Die süddeutsche Küche (1858), S.085/1

Originalrezept:

Die Stängel werden weggeschnitten, dann siedet man ihn in Wasser weich und schneidet ihn gröblich zusammen. Man läßt nun in Butter Zucker gelb werden, staubt 1 Löffel Mehl hinein, überdünstet den Kohl ein wenig damit und übergießt ihn mit gezuckertem weißen Kaffee.
Man kann dann gebratene Kastanien, mit Butter und Zucker geröstet, beim Anrichten darunter oder als Garnirung geben, wo man keine Beigabe mehr braucht. Sonst sind Bratwürste dazu gut.

Anmerkung:

Diese Kohlart, die schon den Römern bekannt war und seit dem Mittelalter auch in unseren Breiten angebaut wird, hat diverse Bezeichnungen je nach dem Farbton der Kohlköpfe, der vom pH-Wert der Anbaufläche abhängt: im süddeutschen Raum mit seinen eher alkalischen Böden spricht man von Blaukohl bzw. Blaukraut (Österreich), in Norddeutschland von Rotkohl oder auch Rotkraut, weil dort die Ackerböden saurer sind. Im Grunde sind die Kohlköpfe ja blauviolett.

Die endgültige Farbe der Speise hängt dann von der Zubereitung ab: Wenn man säuerliche Äpfel mitkocht und das Gemüse mit Essig oder Zitronensaft abschmeckt, färbt es sich rötlich, wenn man es hingegen mit Mais- oder Kartoffelstärke bindet, färbt es sich blau(-grün), weil Mais und Kartoffeln ja basisch sind.  Ursache sind die Anthocyane (Farbpigmente) dieser Kohlsorte, die ähnlich wie Lackmuspapier als Säure-Basen-Indikator fungieren. Das ist angewandte Chemie in der Küche!

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„Weißer Kaffee“ wird durch das Rösten der Bohnen bei niedriger Temperatur erzielt; der Kaffee hat dann eine helle Farbe, enthält weniger Säure und mehr Koffein und schmeckt nussig. Diese Röstungsmethode ist vor allem im Jemen bekannt, stellt aber auch einen aktuellen Lifestyle Trend für Kaffee-Aficionados dar.

Recherchen im Internet ergeben, dass weißer Kaffee bzw. ein Kaffeeöl aus sehr milde gerösteten Bohnen, eingelegt in neutrales Öl, einen umwerfenden Umami-Geschmack besitzt. Man kann sogar angeblich mit einem normalen Espresso den Geschmack von Rotkraut veredeln, ohne dass es dann nach Kaffee schmeckt. Ausprobieren!

Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit weißer Kaffee im 19. Jh. in unseren Breiten bekannt war, und wie sich dieser in ein Blaukohl-Rezept der Frau von Prato verirrt hat. In späteren Auflagen taucht diese Zutat jedenfalls nicht mehr auf. Es ist auch nicht auszuschließen, dass simpler Milchkaffee gemeint ist, wobei selbst dies erstaunlich wäre.

Transkription:

Andrea Sobieszek

Zitierempfehlung:
Andrea Sobieszek (Transkription): "Blauer Kohl.", in: Die süddeutsche Küche (1858), S.085/1,
online unter: https://www.historische-esskultur.at/rezeptforschung/?rdb_rezepte=blauer-kohl (16.05.2024).

Datenbankeintrag erstellt von Andrea Sobieszek.


In folgendem Projekt erschlossen: ATCZ kulinarisch (2022)