[Ein gefüllte Ganß auf mancherley art zugericht.]

Aus: Ein new Kochbuch (1581), Kapitel 03, Teil 15, Nr. 24

Originalrezept:

Nim(m) die gantze Ganß / vnd zeuch die Haut herab / vnd schneidt das Fleisch herauß von den Beinen / vnnd hacks mit Speck fein klein / als wenn du Knödel darauß machen woltest / mach die füll an mit Gewürtz / vnd beleg das Beinwerg mit dem füllwerg / zeuch die Haut oben darüber / vnd verspeil es fein sauber / setz in Wasser zu / vnnd laß an die statt sieden / glid es fein sauber ab / vnd breuns auff einem Roßt ab / wenn du sie anrichtest / so mach ein süssen oder sauren Pobrat darvnter / so ist es gut zu essen. Also kompt dichs leichter an / als wen(n) du ein jeder stück besonder gefüllt hettest von der Ganß / die Flügel vnd Diech. Du kanst auch die Ganß also gantz lassen / vnd kochen wie du es haben wilt. Du kanst auch ein Ganß braten / gefüllt mit Kitten vnd gebraten Kästen / auch mit kleinen schwartzen Rosein vnd grossen Ziweben / so wirt es gut vnd wolgeschmack. Du kanst auch wol ein Ganß kochen in seiner eygenen Brüh / wie man ein Kappaunen kocht / daß man sie auff die Brüh gibt / es sey gefüllt oder nicht.

Anmerkung:

Bei Rumpolt wird relativ oft die süße Gewürzweinsauce „Pobrat“ zu Wild oder Geflügel vorgeschlagen, wobei sich dieser Begriff ansonsten in keinem anderen bekannten Kochbuch dieser Epoche findet. Im Tschechischen bedeutet dieses Wort „wegnehmen“, was aber keinen Sinn ergibt und eher auszuschließen ist. Allerdings wird 150 Jahre später bei Conrad Hagger einmal eine Weinsauce namens „Probat“ erwähnt, also mit vertauschtem „r“, und dies könnte eine heiße Spur sein. Dazu dann weiter unten.

Bei Hagger ist also bei einem Wachtel- und einem Truthahnrezept von einem „Trüet oder Probat“ die Rede, und dann wird die Zubereitung dieser Sauce beschrieben, mit Wein, Zucker, Zimt und Pfeffer, Orangen- und Limonenschalen.

Bereits im Admonter handschriftlichen Kochbuch wird um 1650 wiederum ein Dessert namens „Triet“ (Driett, Trieth) erwähnt, ein mit Glühwein getränkter Zwieback ähnlich dem heutigen „Besoffenen Kapuziner“. Ein Triet war in Admont sowohl ein Glühwein als auch die damit zubereitete Süßspeise.

Bei Rumpolt ist „Driet“ hingegen die Bezeichnung für eine Mischung aus Zucker und exotischen Gewürzen wie Zimt, Nelken, ev. auch Pfeffer, Kardamom etc., üblicherweise als „Trisanet“ bezeichnet. Dieser Gewürzzucker wurde reichlich vielen Speisen zugesetzt und zusätzlich auf die Tafel zum Nachwürzen gestellt.

Wie kommt es aber zur Bezeichnung „Probat“ bzw. „Pobrat“?

Eine mögliche Erklärung bietet ein nachträglich hinzugefügter Hinweis im Admonter Kochbuch, wo es heißt: „Der Driett sollte vorzeiten auch in der Apotheken angemacht seyn worden“. Dies ist nicht verwunderlich, weil dieser kostspielige Gewürzwein ursprünglich wohl als medizinisches Stärkungsmittel angesehen wurde. Medizinische Rezepte wurden anfangs auf Latein verfasst und mit der stereotypen Formel „Probatum (est)“ abgeschlossen, was auf Deutsch „Es ist bewährt / Es hilft gewiss“ bedeutet. Rezeptur und Titel für einen süßen Gewürzwein, ursprünglich als Medizin verschrieben, könnte also später verkürzt als „Probat“ (bei Conrad Hagger) bzw. verballhornt als „Pobrat“ (bei Rumpolt) für eine Sauce zu Wild oder Geflügel in die frühneuzeitlichen Kochbücher eingegangen sein. Dies ist allerdings nur ein persönlicher Erklärungsversuch.

Transkription:

Andrea Sobieszek

Zitierempfehlung:
Andrea Sobieszek (Transkription): "[Ein gefüllte Ganß auf mancherley art zugericht.]", in: Ein new Kochbuch (1581), Kapitel 03, Teil 15, Nr. 24,
online unter: https://www.historische-esskultur.at/rezeptforschung/?rdb_rezepte=ein-gefuellte-ganss-auf-mancherley-art-zugericht (03.05.2024).

Datenbankeintrag erstellt von Andrea Sobieszek.


In folgendem Projekt erschlossen: TCS 37 (2017-2019)