Dÿe Siben farib etc.

Aus: M I 128 (15. Jhdt.), Nr. 60

Originalrezept:

glas[331r] IN dem Sum̄er heb ich an Ich wil in dem
winter gemach han Wir schüelln̄ vmb vroͤm=
de gemuessÿ czudrattn̄* Wan̄ der wirt mō
in dē winter achtn̄ So tracht das du Sibn̄
farib hast daz du mit ern̄ dan̄ mugest be=
stan Swarcz gar plabÿ farib muͤstu auch
han Geel weys praū vn̄ rot dʾ ist auch
wol not vn̄ auch Gruͤn Chuͤndt wiͤer die zwͤ
sambe bringn̄ Nu wo wil du die farib
all nuͤr vindn̄ Plab chorn̄ pluem du hab
vn̄ nÿm die in dem Sum̄er vn̄ die derre
in einē ofen̄ Abʾ der ofen̄ sol nicht ze haiss
sein So wirt die farib fein vn̄ stoss seÿ
schonn̄ vn̄ wehalt seÿ fuͤr einen Rockch
ze lon Gruͤn̄ mag unser nȳmer uʾgessn̄
well wir habn̄ da vō guͤtte eessen vn̄ ob
der petʾsil wer uergangn̄ So vindet mō
dan̄och waÿczn̄ sangn̄ oder saffrian wan̄
mō aucht (!) macht gruete (!) gruͤn da von die
rot praun farib get von Weichseln̄ dar
Wen̄ die czeÿtig sein So prich sÿ ab vn̄
wen̄ sÿ die chern̄ nu lassent So slach sÿ
durich vn̄ ein drital hoenigs nÿmb du
dar an vn̄ dar ÿnn solt du sÿ siedn̄ lan
wen̄ es nū gesotn̄ ist So lass es kalt wʾ=
den Wil du es dan̄ wol pewarn̄ So tue
es in einen hafen der ÿnne uʾglaset
seÿ So pist du sorgn̄ vmb die forib
freÿ vn̄ ein guͤttn̄ rat ich dir gib andʾ
stat Wan̄ du seÿ also wehaltn̄ magest
ein ganczes iar Das sÿ dʾ farib nicht uʾ=
leuset czwar Also verdeck seÿ schonn
daz sÿ nuͤr nicht vʾdoͤn die praunnē faʾib
[331v] hastu dar Einer rotn̄ farib nÿmb dir
war herÿsen per*** scholt du in dem heʾibst
nēmen ab Wen̄ sÿ czeÿtig sein vn̄ die
scholtu pressen schon So gibt mā dir ge=
ren einē Rock ze lon daz viertaill schol
hoenig sein So halt mā seÿ wie lanck
man wil dez nym dir guͤttn̄ muͤt lecz=
eltn̄ sind albeg guͤt Magstu dʾ leczeltn̄
nicht enhan So nÿmb ein̄ semel an die
stat schon̄ So hastu ein pecher wein̄ cze=
lon

Übersetzung:

Die sieben Farben (für Lebensmittel)

Im Sommer fange ich an, im Winter werde ich Ruhe haben. Wir sollen uns um seltene Speisen kümmern, denn die wird man im Winter schätzen. So sieh zu, dass du sieben Farben hast, damit du in Ehren bestehen kannst. Schwarze und blaue Farbe musst du haben, gelb, weiß, braun und rot, die sind auch nötig, ebenso grün. Könnten wir die bloß zusammen bringen, aber woher willst du die Farben nehmen? Nimm blaue Kornblumen, pflück sie im Sommer und trockne sie in einem Ofen, der aber nicht zu heiß sein darf; dann wird die Farbe schön. Zerkleinere die Kornblumen und behalte sie um einen Rock als Lohn. Auf die Farbe Grün dürfen wir nicht vergessen, weil wir daraus gutes Essen machen können. Auch wenn die Petersilie nicht mehr wächst, findet man dennoch Weizenährenbüschel oder Safran, aus denen man auch ein schönes Grün** machen kann. Rotbraune Farbe gewinnt man aus Weichseln. Wenn die reif sind, pflücke und entkerne sie, seihe sie durch und koch sie mit ein Drittel Honig. Darin sollst du sie kochen lassen. Wenn sie gekocht sind, lass sie erkalten. Willst du sie gut konservieren, gib sie in einen Topf, der innen glasiert ist. Dann brauchst du dir keine Sorgen um die Farbe zu machen. Und ich gebe dir gleich einen guten Rat: Willst du sie ein ganzes Jahr aufbewahren, sodass sie die Farbe nicht verlieren, dann bedecke sie gut, damit sie nicht verderben. Dann hast du eine braune Farbe. Achte auch auf rote Farbe, Himbeeren sollst du im Herbst pflücken, wenn sie reif sind. Presse sie gut durch - dann gibt man dir gern einen Rock als Lohn - und ein Viertel der Menge sollte Honig sein. So kann man sie aufbewahren, so lange man will, darauf kannst du vertrauen. Lebkuchen [für schwarze Farbe] sind immer gut, hast du keine Lebkuchen, dann nimm an deren Stelle eine Semmel, dann bekommst du einen Becher Wein als Lohn.

* Vermutlich verschliffen aus „trahten“ = woran, worüber, worauf denken, achten, erwägen (Lexer).
** Genauer und korrekter im Kochbuch des Meister Hans (96v, Nr. 256): Weizenähren ergeben grün, Safran gelb.
*** Hirschbeere = Himbeere. Etymologisch nicht restlos geklärt; möglicherweise aus ahd. „hintperi“, abgeleitet von der Hindin (Hirschkuh), also Beere der Hirschkuh.

Transkription:

Beatrix Koll

Zitierempfehlung:
Beatrix Koll (Transkription): "Dÿe Siben farib etc.", in: M I 128 (15. Jhdt.), Nr. 60,
online unter: https://www.historische-esskultur.at/rezeptforschung/?rdb_rezepte=dy%cc%88e-siben-farib-etc (19.05.2024).

Datenbankeintrag erstellt von Marlene Ernst.